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Archäologische Grabungen 2015 in St. Pölten

Aufgrund der derzeit günstigen Witterung konnten die archäologischen Grabungen am St. Pöltner Domplatz bereits wieder aufgenommen werden. Die gesetzlich vorgeschriebene Erkundung des Untergrundes erfolgt aber nicht nur am Domplatz, sondern auch bei anderen großen Bauprojekten im Stadtgebiet. Schlagkräftige Argumente sprechen gegen eine Beschleunigung der Grabungsarbeiten am Domplatz.
Foto: Josef Vorlaufer
Bürgermeister Stadler spricht sich gegen eine zweijährige Totalsperre des Domplatzes aus. - Foto: Josef Vorlaufer

Beschleunigung schadet mehr

Das St. Pöltner Stadtoberhaupt verweist auf folgende Fakten:
1. Schneller zu arbeiten würde gleichzeitig bedeuten, größere Flächen zu ergraben. Dann müsste der Domplatz zur Gänze gesperrt werden. Es gäbe dann für zwei Jahre keine Parklätze und der Wochenmarkt könnte nicht abgehalten werden. Schon jetzt ist es schwierig die erforderlichen Stellflächen für die Markstände parat zu haben. Der Wochenmarkt kann nicht in die umliegenden Gassen verlegt werden, weil dort die Mindestdurchfahrtsbreiten nicht gewährleistet sind. Die Abhaltung des Wochenmarktes auf dem Rathausplatz ist aufgrund der großen Veranstaltungsdichte hier unmöglich. Ersatzparkplätze stehen(noch) nicht zur Verfügung.
2. In der Innenstadt laufen derzeit eine ganze Reihe großer Baustellen, allen voran der Herrenplatz, die Sanierung des Palais Wellenstein, die Aufstockung eines Wohnhauses in der Kremser Gasse, in der Brunngasse entsteht ein Kaufhaus mit Wohnungen und einige weitere Projekte starten demnächst, wie etwa die Errichtung von über 30 neuen Wohnungen in der Linzer Straße. In dieser Phase den Domplatz für zwei Jahre völlig zu sperren, wäre für die Innenstadt nicht zumutbar, und eine zusätzliche Belastung. Die Baustellen im Zentrum müssen in einer zeitlich sinnvollen Reihenfolge abgewickelt werden, damit sich die Arbeiten nicht gegenseitig behindern. Baustellen haben immer negative Auswirkungen auf die Umgebung (Lärm, Staub verkehrstechnische Einschränkungen etc.). Eine vorausschauende Koordination garantiert einerseits Wirten, Kaufleuten und Dienstleistern in der Innenstadt das Überleben und ermöglicht andererseits interessierten Investoren ihre nachhaltigen Projekte zeitnahe umzusetzen. Alles gleichzeitig zu machen führt zwangsläufig zum Infarkt und verjagt potentielle Investoren.
3. Eine Beschleunigung der Arbeiten bedeutet, mehr ArchäologInnen und mehr AnthropologInnen einsetzen zu müssen. Zusätzliche Fachleute können bei gleichbleibenden Budgetmittel nur auf Basis einer langfristigen Planung verpflichtet werden. Kurzfristig geht da gar nichts. Für zusätzliches Personal müsste zudem am Domplatz ein Containerdorf errichtet werden, um den gesetzlichen Anforderungen der Bauarbeiterschutzverordnung gerecht zu werden, da die derzeitige vorhandene Infrastruktur nicht ausreichen würde.

Es fehlen also weder die finanziellen Mitteln noch hat irgendjemand ein Interesse daran, die die archäologischen Grabungen am Domplatz unnötig in die Länge ziehen zu wollen. Vielmehr liegen handfeste und nachvollziehbare Argumente vor.

Neugestaltung soll bis 2018 abgeschlossen sein

„Ich kann die Ungeduld sehr gut verstehen, geht es mir doch genauso wie den St. PöltnerInnen und allen, die von auswärts diesen zentralen Platz nutzen: Auch mir wäre nichts lieber, als unverzüglich mit der Neugestaltung des Domplatzes beginnen zu können und dieses wichtige Projekt aus dem Masterplan so rasch als möglich abzuschließen. Man muss aber einsehen, dass zwischen dem Wunsch, und dem, was tatsächlich sinnvoll und machbar ist, oft ein großer Unterschied besteht. Bei objektiver Abwägung aller Fakten ist eine längere archäologische Grabungsphase letztlich doch die bessere Lösung. Deshalb haben wir die Idee von der Beschleunigung der archäologischen Grabungen am Domplatz schon vor einem Jahr verworfen“ erklärt Stadler und betont: „Wer also auf einer Unterschriftenliste für eine Beschleunigung der archäologischen Grabungen eintritt, spricht sich für eine zweijährige Totalsperre des Domplatzes mit allen daraus resultierenden Nachteilen für die Innenstadt aus.“
Seitens des Bürgermeisters und den Fachleuten in der Stadtverwaltung wird alles unternommen, um die Arbeiten im Rahmen des Möglichen rasch abschließen zu können. Aus heutiger Sicht soll die Neugestaltung des Domplatzes im Jahr 2018 abgeschlossen sein.

Wie es am Domplatz weitergeht

Heuer sind mehrere Teilflächen geplant, wobei die Durchführbarkeit noch nicht bei allen Teilflächen gesichert ist. Die Hauptgrabungsfläche liegt im Westen, die in zwei Etappen untersucht wird. Ziel ist die neue Sammelkünette für die neuen Leitungen fertigzustellen.

Zahlen und Fakten zur Grabungskampagne 2014 am Domplatz

Das Fundmaterial aus dem Jahre 2014 füllt allein mehr als 130 Bananenkartons, die schätzungsweise wieder weit mehr als 20.000 Einzelstücke beinhalten. Zusätzlich kamen 2.170 Kleinfunde (Gesamt: 5.660), sowie 428 Münzen (Gesamt: 1489) zum Vorschein.
Untersucht wurde im Jahre 2014 ein Streifen entlang der Südgrenze des Platzes, unter Bedachtnahme auf die Bauarbeiten im Palais Wellenstein. Auch wenn die römischen Schichten nur stellenweise im Bereich der Sammelkünette untersucht werden konnten, ergaben sich interessante Hinweise auf die Ostrandverbauung der Stadt und bestätigte sich, dass im Westteil höherwertige Bebauung vorherrscht. Angeschnitten wurde ein großer Saal, flächig mit Fußbodenheizung versehen, mit apsidalem Abschluss im Westen. Aufgrund der Kleinheit des Ausschnittes kann keine gesicherte Aussage getroffen werden, ob es sich um ein öffentliches Gebäude (Forumsbereich?) oder um ein gehobenes Privathaus handelt.
Die Reste eines auf lehmgebundenen Sockelmauern errichteten Fachwerkgebäudes aus dem 4. Jhd. n. Chr. stehen im krassen Gegensatz zu dem entdeckten Verwaltungspalast dieser Zeit im Norden des Platzes.
Rudimentär erhaltene Reste einer in den Boden eingetieften riesigen Ofenanlage deuten auf einen großen Kalkofen hin, der mit hoher Wahrscheinlichkeit im Zuge der Erbauung der beiden Kirchen errichtet wurde.
Weiteres konnten neue Erkenntnisse zur Entwicklung des Friedhofes im Laufe des Mittelalters gewonnen werden. So wurde unter anderem ein großer Graben als Begrenzung angelegt, der die umliegende Bebauung vor Feuchtigkeit schützen sollte.
Die Zahl der bisher geborgenen menschlichen Überreste liegt derzeit bei 6.715 Individuen, davon allein 2.037 aus dem Jahre 2014, die inzwischen allesamt anthropologisch untersucht sind.

Anthropologie 2014

Bei der Grabung 2014 wurde ein Sammelgrab mit Männern, Frauen und Kindern entdeckt. Insgesamt wurden 330 Individuen geborgen. Diese starben alle innerhalb relativ kurzer Zeit an einer hoch ansteckenden eitrigen Entzündung der Gehirnhaut (Meningitis). Es herrschte eine regelrechte Epidemie, die ganze Familien hinwegraffte.

Ein zweites Sammelgrab mit bisher 116 geborgenen Individuen wurde ebenfalls angegraben. An den Skeletten lässt sich ein entbehrungsreiches Leben mit schwerer Arbeit ablesen. Die Knochen sind papierdünn, brüchig und schwach. Rachitis, Cholera und Hunger waren die Ursache. Hier dürften also arme, ausgezehrte und schlecht ernährte Personen bestattet worden sein.

Auch die “Lustseuche” Syphilis hinterließ ihre Spuren. Mehrere Kinder wurden als Ungeborene im Mutterleib angesteckt und starben einige Jahre nach ihrer Geburt.
Die Untersuchungen sind voll im Gange. In St.Pölten könnte die historische Streitfrage beantwortet werden, ob wirklich Christoph Kolumbus, der Entdecker Amerikas, die Krankheit nach Europa eingeschleppt hat.

Archäologie 2014 abseits des Domplatzes

Nicht nur am Domplatz wurde im letzten Jahr gegraben, sondern es konnten noch weitere 12 archäologische Maßnahmen im Stadtgebiet von St. Pölten in Verbindung mit Bauvorhaben durchgeführt werden. Es erfolgt eine Erkundung des Untergrundes, sobald Fundstücke auftauchen oder Bodendenkmäler vermutet werden. Das Spektrum reicht von Künettenbeobachtungen bis hin zu richtigen archäologischen Grabungen im Vorfeld verschiedener Bauvorhaben. Mit dem Stadtarchäologen Dr. Ronald Risy verfügt die Stadt über einen ausgewiesenen Experten, der den Bauherrn bei der Abwicklung von archäologischen Grabungen professionell, rasch und kostengünstig hilft. Dies stellt einen zusätzlichen Standortvorteil für Projektentwickler dar.
Als die wichtigsten archäologischen Grabungen abseits des Domplatzes seien hier erwähnt:

1. Schneckgasse/Mary-Ward-Schule:
Die Untersuchungen durch den Verein ASINOE wurden zeitgerecht abgeschlossen. Es konnten neben mittelalterlichen und neuzeitlichen Befunden vor allem wichtige Erkenntnisse zur Südrandbebauung und zum Gesamtplan der römischen Stadt erzielt werden.

2. Brunngasse:
Hervorzuheben ist eine völkerwanderungszeitliche Bestattung in einem ehemaligen riesigen römischen Gebäude, das zeigt, dass Aelium Cetium im 5. Jahrhundert bereits sehr geschrumpft war.
Zwei parallel geführte Mauern, festgestellt auf einer Länge von mehr als 20 m, die sich weder an römische noch an hochmittelalterliche Baufluchten orientieren, könnten einen Hinweis auf eine ältere Befestigung geben.
Eine Doppelofenanlage zum Brennen von Geschirr zusammen mit zahlreichen Model und Patrizen belegen eine nun bis in 17. Jahrhundert zurückreichende Hafnerei auf diesem Gelände.

3. Bezirkshauptmannschaft:
Auch hier ergaben sich wenn auch spärlich, so doch wichtige Erkenntnisse zur Ostrandverbauung der römischen Stadt, die sich offenbar durchgängig nicht an dem strengen Straßenraster orientiert
Ein tiefer mittelalterlicher Graben, der von einem Mauerzug begleitet wird, kann eigentlich auch nur als Rest einer Befestigung, vielleicht des Klosterareals interpretiert werden.
Schließlich ist sicherlich der barockzeitliche Wirtschaftshof des Klosters zu erwähnen, der später Sitz des Kreisgerichtes war und am Beginn des 20. Jahrhunderts abgerissen wurde.

4. Kremser Landstraße/Spital:
Hier konnte eindeutig der Nachweis römischer Bauerngehöfte erbracht werden, die wichtige Aufschlüsse zum Verhältnis Stadt – Land und den ländlichen Strukturen liefern.

„Die viel diskutierte Idee, die Ausgrabungen am Domplatz zu beschleunigen, ist nicht neu. Wir haben uns damit bereits intern vor eineinhalb Jahren intensiv beschäftigt und die Vor- und Nachteile sehr objektiv und besonders vor dem Hintergrund, was für die Innenstadt und ihrer BesucherInnen das Beste ist, abgewogen. Fazit: Eine Beschleunigung ist nur mit einer zweijährigen Totalsperre des Domplatzes möglich. Das kann niemand Vernünftiger wollen“, hält Bürgermeister Mag. Matthias Stadler fest und ergänzt, dass die archäologischen Grabungen weder sein Hobby noch das der Stadtverwaltung sind, sondern eine zwingend notwendige, gesetzlich vorgeschriebene Maßnahme, um die Neugestaltung des Domplatzes und die erforderliche Erneuerung der Einbauten technisch umsetzen zu können.

Im Bereich des Domplatzes lag das Zentrum der römischen Siedlung Aelium Cetium und war hier über viele Jahrhunderte der Friedhof der Stadt und Standort mittelalterlicher sakraler Bauten. Aus diesem Grund gilt der Domplatz als Bodendenkmal, das unter gesetzlichem Schutz steht. Gesetzeskonforme Grabungsarbeiten sind daher eine vom Bundesdenkmalamt zwingend vorgeschriebene Voraussetzung für die Neugestaltung. Gesetzliche Vorschriften des Bundes müssen hundertprozentig erfüllt werden.

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